High 5s

Das High 5s-Projekt wurde im Jahr 2006 von der World Health Organization (WHO) initiiert, um beim weltweit relevanten Thema Patientensicherheit aktiv zu werden. Die Bezeichnung "High 5s" leitet sich von der ursprünglichen Intention des Projekts ab, nämlich die Reduzierung von 5 schweren Patientensicherheitsproblemen in 5 Ländern über 5 Jahre.

Was ist High 5s?

Das Ziel des internationalen Projekts "Action on Patient Safety: High 5s" war die bedeutsame, nachhaltige und messbare Reduzierung von unerwünschten Ereignissen in der Patientenversorgung durch die Implementierung von standardisierten Handlungsempfehlungen (SOP = Standard Operating Protocols) in Krankenhäusern. Dabei wurden innerhalb einer multinationalen Lerngemeinschaft die SOP entwickelt und ihre Implementierung und Wirksamkeit evaluiert.

Aus den ursprünglich geplanten fünf teilnehmenden Nationen arbeiteten beim High 5s-Projekt insgesamt acht Länder unter Koordination der als WHO Collaborating Centre for Patient Safety fungierenden Joint Commission International (JCI) zusammen. Die JCI ist der internationale Ableger der Joint Commission, der ältesten und größten Zertifizierungsorganisation im US-amerikanischen Gesundheitssektor.

Unterstützt wurde das Projekt auf internationaler Ebene durch die U.S. Agency for Healthcare Research and Quality (AHRQ), die WHO, sowie den Commonwealth Fund. Die Projektumsetzung in Deutschland wurde vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) bis Ende 2015 gefördert.

Projektinhalte

Hauptelemente des Projekts waren die Implementierung von problemspezifischen SOP in verschiedenen Krankenhausbereichen, die Entwicklung einer umfangreichen Evaluationsstrategie, die Sammlung und Analyse von erhobenen Daten mit vergleichender Rückspiegelung der Ergebnisse an die teilnehmenden Krankenhäuser, sowie der Aufbau einer internationalen Lerngemeinschaft.
 
In den teilnehmenden Ländern erfolgte unter Koordination der JCI die Implementierung und Evaluation weitgehend parallel in den jeweiligen Krankenhäusern. Die High 5s-Projektländer waren: Australien, Deutschland, Frankreich, Kanada, Niederlande, Singapur, Trinidad & Tobago, USA.

Zunächst konzentrierten sich die nationalen und internationalen Projektbemühungen auf zwei relevante Patientensicherheitsprobleme mit der standardisierten Implementierung und Evaluation von SOP zu den rechts genannten Themen.

Jede SOP beschreibt neben der standardisierten Handlungsempfehlung das zugrundeliegende Problem, die Evidenzgrundlage, potentielle Barrieren, sowie potentielle unbeabsichtigte Folgen bei der Einführung, als auch die Rolle der Patienten und deren Angehörigen.

In Deutschland wurden die SOP schrittweise eingeführt. Für jede SOP wurden mindestens zehn Projektkrankenhäuser angestrebt. Die Implementierungsphase begann in Deutschland, analog zu den anderen Teilnehmerstaaten, im Jahr 2010.

Dabei übernahmen die teilnehmenden Krankenhäuser durch ihre Bereitschaft zur SOP-Implementierung und Evaluation öffentlichkeitswirksam eine nationale und internationale Führungsrolle auf dem Gebiet der Patientensicherheit.

Lead Technical Agencies
Die in jedem Land projektdurchführende Organisation wurde als Lead Technical Agency (LTA) bezeichnet. Die LTA waren unter Führung der JCI an der Entwicklung der SOP und des Evaluationskonzepts beteiligt. Im jeweiligen Land waren sie für die aktive Rekrutierung der Projektkrankenhäuser zuständig. Sie koordinierten, betreuten und unterstützten die Krankenhäuser bei der SOP-Implementierung, der Datensammlung und bei der Übermittlung von Evaluationsdaten.

Das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) und das Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (APS) bildeten als "LTA Germany" eine operationelle Einheit.

SOP Eingriffsverwechslungen

Die SOP Eingriffsverwechslungen befasst sich mit einer besonderen Art der Komplikationen bei operativen Eingriffen: Operationen an der falschen Körperstelle, Durchführung falscher Eingriffe, oder Operationen der falschen Person. In Bezug auf alle durchgeführten operativen Eingriffe sind Eingriffsverwechslungen zwar selten. Wenn sie aber vorkommen, sind die Auswirkungen für den Patienten und auch für die am Versorgungsprozess beteiligten Personen folgenschwer. Eingriffsverwechslungen werden allgemein als vermeidbar betrachtet.

Ziel der SOP ist die Verhinderung von Eingriffsverwechslungen durch eine wirkungsvolle Implementierung und konsequente Anwendung folgender drei sich ergänzender Prozessschritte in der Vorbereitung jedes Patienten für operative Eingriffe:

  • präoperativer Verifikationsprozess
  • Markierung des Eingriffsortes
  • "Team-Time-Out" unmittelbar vor Beginn des Eingriffs

Wichtig für den Erfolg der Bestrebungen ist, dass alle Mitglieder des prä- und perioperativen Teams aktiv beteiligt sind und effektiv miteinander kommunizieren. Zudem ist der Patient in dem Maße, in dem dies möglich ist, in diesen Prozess einzubeziehen.

Die High 5s OP-Checkliste ist dabei das zentrale Instrument für die Dokumentation der Prozessschritte. Die Checkliste wird von der Patientenaufnahme bis hin zum Team-Time-Out direkt vor dem Hautschnitt vom gesamten Versorgungs-Team abgearbeitet. Das macht eine klare Regelung der Zuständigkeiten für die einzelnen Prozessschritte erforderlich. Die High-5s-OP-Checkliste dient dabei nicht allein der Implementierung der Handlungsempfehlung, sondern diente gleichzeitig drei Jahre lang (bis Ende 2013) als Evaluationsinstrument.

Insgesamt 16 Krankenhäuser unterschiedlicher Versorgungsstufen haben aktiv am High 5s-Projekt mitgewirkt und die Handlungsempfehlung bzw. die OP-Checkliste implementiert und evaluiert. Diese 16 Krankenhäuser waren:

  • Allgemeines Krankenhaus Celle
  • Altmark-Klinikum Gardelegen
  • Altmark-Klinikum Salzwedel
  • Evangelische Elisabeth-Klinik, Berlin
  • Evangelische Lungenklinik, Berlin
  • Evangelisches Krankenhaus Hubertus, Berlin
  • Evangelisches Krankenhaus Paul Gerhardt Stift, Lutherstadt Wittenberg
  • Evangelisches Waldkrankenhaus Spandau, Berlin
  • GRN-Klinik Sinsheim
  • Herzogin Elisabeth Hospital, Braunschweig
  • Klinikum Chemnitz
  • Klinikum Coburg
  • Martin-Luther-Krankenhaus, Berlin
  • Städtisches Klinikum Solingen
  • Universitätsklinikum Aachen
  • Universitätsklinikum Freiburg

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SOP MedRec

Sicherstellung der richtigen Medikation bei Übergängen im Behandlungsprozess.
 
Die SOP Medication Reconciliation befasst sich mit der Vermeidung von Medikationsfehlern aufgrund von unvollständiger oder fehlgeschlagener Informationsübermittlung bei Übergängen im Versorgungsprozess. Zunächst lag die Konzentration beim High 5s-Projekt auf der Krankenhausaufnahme. Zu den unerwünschten Arzneimittelereignissen an diesen Schnittstellen zählten u. a. die unabsichtliche Auslassung der benötigten Hausmedikation, das Versäumnis der Weiterführung der Hausmedikation, Doppeltherapien und Fehler, die mit der Verordnung (Angabe der falschen Dosierung oder Dosierform) in Zusammenhang stehen.

Diese SOP versucht, diese unerwünschten Arzneimittelereignisse zu verhüten. 
Medication Reconciliation ist ein formaler Prozess, der folgende Aspekte umfasst:

  • die Erstellung einer vollständigen und genauen Liste der aktuellen Hausmedikation jedes einzelnen Patienten, einschließlich Name, Dosierung, Häufigkeit und Applikationsweg des Medikaments bei Krankenhausaufnahme
  • die Verwendung dieser Liste bei der Erstellung von Medikamentenverordnungen bei Aufnahme, Verlegung und/oder Entlassung und
  • den Vergleich dieser Liste mit den Verordnungen bei Aufnahme, Verlegung und/oder Entlassung des Patienten, um etwaige Diskrepanzen aufzudecken und sie dem verordnenden Arzt mitzuteilen, damit die Verordnungen ggf. geändert werden können

Aufgrund der Komplexität und den Ressourcenanforderungen die Medication Reconciliation bei allen Patienten über alle Versorgungsbereiche hinweg bedeuten würde, wurde diese SOP schrittweise implementiert. In der ersten Phase wurden nur Patienten ab 65 Jahren, die von der Notaufnahme in die stationäre Versorgung übergehen, in den Prozess einbezogen.

14 Krankenhäuser unterschiedlicher Versorgungsstufen wirkten aktiv am High 5s-Projekt mit und implementierten die Handlungsempfehlung bei gleichzeitiger Evaluation.

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Toolboxen

Projekthintergrund
Das Projekt "Action on Patient Safety: High 5s" wurde im Jahr 2007 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) initiiert. Der Name "High 5s" leitet sich von dem ursprünglichen Vorhaben der Initiative ab, fünf Patientensicherheitsprobleme in fünf Ländern über fünf Jahre zu reduzieren. Hierzu wurden standardisierte Handlungsempfehlungen (Standard Operating Protocols = SOP) und begleitende Evaluationskonzepte entwickelt und erprobt. Im Verlauf des Projekts wurden zwei der fünf standardisierten Handlungsempfehlungen fokussiert. Diese SOP waren "Vermeidung von Eingriffsverwechslungen" und "Sicherstellung der richtigen Medikation bei Übergängen im Behandlungsprozess (Medication Reconciliation)".

In Deutschland wurden die Machbarkeit der Implementierung und die begleitende Evaluation von beiden SOP bis Ende 2014 erprobt. Das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) hatte die Projektleitung auf nationaler Ebene inne und koordinierte die Implementierung der SOP. Für die Evaluation und das Datenmanagement war das Institut für Patientensicherheit der Universität Bonn (IfPS) zuständig, welches durch das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) mit der Umsetzung dieser Projektaktivitäten betraut wurde. Das High 5s Projekt wurde in Deutschland vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gefördert und noch bis Ende 2015 fortgeführt.

Toolboxen: Implementierungsmaterialien und -hilfen
Im Rahmen des internationalen Projektes wurden neben den beiden Handlungsempfehlungen "Vermeidung von Eingriffsverwechslungen" und "Sicherstellung der richtigen Medikation bei Übergängen im Behandlungsprozess (Medication Reconciliation)" Implementierungsmaterialien für die teilnehmenden Krankenhäuser zur Verfügung gestellt. Da die Handlungsempfehlungen und die Implementierungshilfen aus dem angloamerikanischen Raum stammen, wurden diese für Deutschland übersetzt, angepasst und ergänzende Implementierungs- und Evaluationsmaterialien mit den beteiligten Krankenhäusern erarbeitet. Ziel war eine bestmögliche Unterstützung der in Deutschland beteiligten Krankenhäuser bei der Implementierung der SOP und der zugrundeliegenden Prozesse.

Die beiden deutschsprachigen SOP zu "Vermeidung von Eingriffsverwechslungen" und "Sicherstellung der richtigen Medikation bei Übergängen im Behandlungsprozess (Medication Reconciliation)" sowie die im Rahmen des High 5s Projektes erarbeiteten Implementierungsmaterialien für Deutschland sind in diesen High 5s Toolboxen hinterlegt. Die Toolboxen können Krankenhäusern, die eine Einführung von Verfahren zur Vermeidung von Eingriffsverwechslungen und Sicherstellung der richtigen Medikation bei Übergängen im Behandlungsprozess planen oder bereits begonnen haben, eine Hilfestellung sein und Ideen zur Umsetzung liefern.

Die internationalen SOP und Implementierungsmaterialien zu "Vermeidung von Eingriffsverwechslungen" sowie "Sicherstellung der richtigen Medikation bei Übergängen im Behandlungsprozess (Medication Reconciliation)" finden Sie auf der Seite der Weltgesundheitsorganisation.

High 5s Abschlussveranstaltung
Zu dem Projekt "Action on Patient Safety: High 5s" fand am 1. und 2. Juni 2015 eine Abschlussveranstaltung statt. Die Koordinatoren aus den High 5s Projektkrankenhäusern, der Projektförderer, -begleiter sowie namhafte Personen aus Wissenschaft und Gesundheitspolitik und Interessierte kamen in Berlin zusammen.

Am ersten Veranstaltungstag stand das Thema Vermeidung von Eingriffsverwechslungen im Fokus. Am zweiten Tag ging es um die Sicherstellung der richtigen Medikation bei Übergängen im Behandlungsprozess (Medication Reconciliation). Eine Zusammenfassung sowie Reden, Vorträge und Erfahrungsberichte von der Abschlussveranstaltung des High 5s Projekts können Sie hier einsehen.

Weitere Informationen

Publikationen zum High 5s-Projekt

World Health Organization. The High 5s Project. Interim Report. December 2013. WHO: Geneva, 2014. ISBN 978 92 4 150725 7.

Leotsakos A, Zheng H, Croteau R, Loeb JM, Sherman H, Hoffman C, Morganstein L, O´Leary D, Bruneau C, Lee P, Duguid M, Thomeczek C, Van der Schrieck-de Loos E, Muier B. Standardization in patient saffety: the WHO High 5s project. International Journal for Quality in Health Care 2014;26(2):109-116.

Renner D, Fishman L, Berning D, Thomeczek C. Zwischenstand des High 5s-Projekts. Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) 2014;108(1):56-58.

Franzen K, Eisert A, Baehr M, Hug MJ, Jaehde U. Medication reconciliation in Germany: a special challenge. Hospital Pharmacy Europe 2013;68(May/June):23-25.

Rohe J, Sanguino Heinrich A, Fishman L, Renner D, Hahnenkamp C, Gunkel C, Mehrmann L, Thomeczek C. Patientensicherheit am ÄZQ. Ärztebl. Thüringen 2013;24(1):15-18.

Fishman L, Renner D, Thomeczek C. Medication Reconciliation: Sicherstellung der richtigen Medikation bei Übergängen im Behandlungsprozess. Krankenhauspharmazie Schwerpunktheft "Arzneimitteltherapiesicherheit" 2012;33(12):514-518.

Fishman L, Hermes R, Renner D, Gunkel C. Aktiv in Patientensicherheit. Erfahrungen zur Implementierung einer international standardisierten Handlungsempfehlung zur Vermeidung von Eingriffsverwechslungen. Orthopädie und Unfallchirurgie Mitteilungen und Nachrichten, Oktober 2012:548-552.

Gunkel C, Renner D, Rohe J, Fishman L, Thomeczek C. Patientensicherheit in der operativen Versorgung. Initiativen der Weltgesundheitsorganisation für die Steigerung der perioperativen Sicherheit durch die Anwendung von OP-Checklisten. PflegenIntensiv 2013;10(1):50-54.

Renner D, Fishman L, Lessing C. Das Verwechslungsrisiko bei Eingriffen verringern. Dtsch Arztebl 2012;109(20):A 1016–8.

Gunkel C. Barrieren und fördernde Faktoren der Implementierung einer standardisierten Handlungsempfehlung im Rahmen des WHO-Projekts "Action on Patient Safety: High 5s" in Deutschland. Berlin: ÄZQ. 2012. (ÄZQ-Schriftenreihe; 38).

Sänger S. Im Auftrag der Patientensicherheit. Qualitas – Zeitschrift für Qualität und Entwicklung in Gesundheitseinrichtungen 2011;(3):38-39.

Rohe J, Sanguino Heinrich A, Fishman L, Renner D, Thomeczek C. 15 Jahre ÄZQ – 10 Jahre Patientensicherheit am ÄZQ. Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) 2010;104:563-571.

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zuletzt verändert: 12.07.2023 | 12:18 Uhr